Reichenauer Malerschule

Reichenauer Malerschule
Reichenauer Malerschule,
 
umfangreiche ottonische Handschriftengruppe (etwa 950-1150), deren Entstehung in den Skriptorien der Insel Reichenau vermutet wird. Förderer und Besteller der Handschriften waren neben den Kaisern Otto III. und Heinrich II. verschiedene Kirchenfürsten. Man unterscheidet vier Gruppen, die v. a. in der starken Betonung des ornamentalen Elements Gemeinsamkeiten aufweisen: 1) Das Hauptwerk der Eburnant-Gruppe (benannt nach dem Schreiber einer der Handschriften) ist der Gero-Codex (Darmstadt, Hessische Landesbibliothek), kurz vor 969 entstanden. Seine Bilder der Maiestas Domini und der vier Evangelisten lehnen sich an karolingische Vorbilder der Ada-Gruppe an (Hofschule Karls des Großen). 2) Die Ruodprecht-Gruppe wurde nach Ruodprecht, dem Schreiber des für Erzbischof Egbert von Trier geschaffenen Egbert-Psalters (um 980; Cividale del Friuli, Museo Archeologico Nazionale), benannt. 3) Das Schlüsselwerk der dritten Gruppe bildet der Codex Egberti, um 980 ebenfalls für Egbert von Trier angefertigt (Trier, Stadtbibliothek); Hauptmaler ist der Gregormeister, dessen Stil durch Harmonie der Formen und Farben geprägt ist und von weitreichendem Einfluss war. Die Bilder stehen ikonographisch und stilistisch im Zusammenhang mit spätantik-christlichen Vorlagen des 4.-6. Jahrhunderts 4) Die Liuthar-Gruppe wurde nach ihrem Donator, der sich im zweiseitigen Widmungsblatt des ottonischen Evangeliars im Aachener Domschatz (um 990) vorstellt, benannt. Weitere bedeutende Handschriften dieser Gruppe sind das Evangeliar Ottos III. (um 1000; München, Bayerische Staatsbibliothek), das Perikopenbuch Heinrichs II. (zwischen 1007 und 1012, München, Bayerische Staatsbibliothek) und die Bamberger Apokalypse. Der Stil der Liuthar-Gruppe wird bestimmt durch die Zurücknahme von Räumlichkeit und modellierender Körperhaftigkeit sowie durch Steigerung des Ausdrucks. Diesem Stil verwandt sind die Fresken in der Stiftskirche Sankt Georg in Oberzell auf der Reichenau.
 
 
Die Hss. der Bad. Landesbibliothek in Karlsruhe, Bd. 5-7: Die Reichenauer Hss., bearb. v. A. Holder u. a. (1906-18, Nachdr. 1970-73);
 U. Engelmann: Reichenauer Buchmalerei. Initialen aus einem Lektionar des frühen 10. Jh. (21972);
 
Die Abtei Reichenau, hg. v. H. Maurer (1974);
 
Codex Egberti. Das Perikopenbuch des Erzbischofs Egbert von Trier (977-993), bearb. v. F. J. Ronig (1977);
 
Das Evangeliar Ottos III., bearb. v. F. Dressler u. a. (1978);
 H. Mayr-Harting: Otton. Buchmalerei. Liturg. Kunst im Reich der Kaiser, Bischöfe u. Äbte (a. d. Engl., 1991);
 G. Weilandt: Geistliche u. Kunst. Ein Beitr. zur Kultur der ottonisch-sal. Reichskirche u. zur Veränderung künstler. Traditionen im späten 11. Jh. (1992).

Universal-Lexikon. 2012.

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